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Filmreihe: Von der Wolke zum Widerstand

Von der Wolke zum Widerstand - Alle Pavese-Filme von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub
 

28.02.25 - 02.03.25, Filmreihe 

Alle Filme, die Danièle Huillet (1930–2006) und Jean-Marie Straub (1933–2022) gemeinsam 
gedreht haben, basieren auf Texten anderer – meist literarische Texten, die im Widerstand 
geschrieben wurden gegen die Herrschaft einer Klasse, einer Sprache, einer Geschichtsschreibung.

Einer der Autoren, auf den sie immer wieder zurück kamen, war der Piemontese Cesare Pavese 
(1908–1950), vor allem die beiden Nachkriegs-Werke „Gespräche mit Leuko“ (1947) und „Der Mond und die Feuer“ (1950), in denen sich Pavese Rechenschaft ablegt über die Zerrissenheit – auch seine eigene –, die Krieg, Faschismus, Besatzung und Partisanenkampf in Italien hinterlassen haben.

Ein Grundmoment ist die Entzauberung: die der Götter, der Heroen und der Menschen. Man kann darin auch eine Chronik des anti-faschistischen Widerstands lesen, was im Piemont 1943 hieß, „auf die Hügel zu gehen“ und sich der Resistenza anzuschließen.

Dass Pavese dies seinerzeit nicht getan hat, machte ihn in seiner Generation jedoch auch zu einer umstrittenen Figur, was sich in seinen Büchern niederschlug. „Der Tag wird kommen, an dem niemand mehr dem Krieg entgeht – weder die Feiglinge noch die Traurigen, noch die Einsamen.“ (Cesare Pavese, Das Haus auf dem Hügel, 1948)


Freitag 28. Februar 2025

18 Uhr Das Handwerk des Übersetzens. Pavese/Huillet/Straub.
Gespräch und Lesung mit der Pavese-Übersetzerin Maja Pflug

Zunächst geht es um Cesare Pavese: als prominente, aber umstrittene Stimme seiner Generation, als Erneuerer der Sprache, als Materialgeber für Filme Danièle Huillets und Jean-Marie Straubs. Zu Gast ist Maja Pflug, die einen Großteil von Paveses Romanen in den letzten Jahren neu ins Deutsche übertragen hat. Übersetzung, so eine Ausgangsidee, fordert nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit einem Text und seiner Geschichte, sondern ist auch eine Herausforderung an die Sprache, in der man diesem Text eine neue Gegenwart verschafft.

Maja Pflug, Tobias Hering und die Übersetzerin und Wegbegleiterin Huillet-Straubs Andrea Spingler lesen Auszüge aus den Romanen „Der Mond und die Feuer“ und „Das Haus auf dem Hügel“. Das Programm wird moderiert von Larissa Krampert, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Goethe-Uni und Teil des Pupille-Kollektivs.

 

20 Uhr Dalla nube alla resistenza (Von der Wolke zum Widerstand)
Italien/BRD 1978, 105 min

Der Film entstand im Sommer 1978 in der Gegend von Pisa und in der Langhe (Piemont). Im ersten Teil inszenieren Huillet und Straub sechs der insgesamt 27 „Gespräche mit Leuko“, in denen sich Figuren der griechischen Mythologie begegnen, um von dem zu sprechen, was der Mythos verschweigt. Der zweite Teil erzählt in einer Spielfilmhandlung von einem Mann, der einige Jahre nach Kriegsende aus dem amerikanischen Exil in sein Dorf im Piemont zurückkehrt und dort den Geistern der Vergangenheit begegnet, den toten, wie den lebenden. „Die Feuer – das geht von den Reisigfeuern der armen Leute, den Festfeuern, die sie machen, bis zu den Feuern, in denen die Partisanen eine Verräterin verbrennen und unkenntlich machen, zu Asche machen; diese Feuer sind es, La luna e i falò : Der Mond und die Feuer.“ (Klaus Heinrich, 1979)

Einführung und Nachgespräch mit dem Theaterwissenschaftler Patrick Primavesi (Uni Leipzig).

Regie: Danièle Huillet, Jean-Marie Straub 
Kamera: Saverio Diamanti. Gianni Canfarelli 
Ton: Louis Hochet, Georges Vaglio 
Musik: Johann Sebastian Bach, dirigiert von Gustav Leonhardt

 
Samstag 1. März 2025

18 Uhr Cesare Pavese. Turin – Santo Stefano Belbo

Dokumentarfilm über Cesare Pavesevon Renate Sami und Petra Seeger.
BRD 1984/85, 60 min

Als Filmemacherin war Renate Sami (1935–2023) Autodidaktin. Ihr erster Film war 1976 einem 
Freund gewidmet, dem Filmstudenten und RAF-Terroristen Holger Meins, der zwei Jahre zuvor 
während eines Hungerstreiks gegen die Isolationshaft gestorben war. Auch Huillet und Straub 
waren mit Holger Meins befreundet und widmeten ihm ihren Film „Moses und Aron“, den sie gerade fertig stellten, als sie von Meins’ Tod erfuhren. Es scheint zwar keine persönliche Verbindung zwischen Huillet/Straub und Sami gegeben zu haben, aber ihr ruhiger, suchender Film über Cesare Pavese fügt sich ein in dieses Netz aus Wiederbegegnungen und Widmungen. Sie sucht Orte auf, an denen Pavese gelebt und über die er geschrieben hat. Im Zentrum steht sein Turin-Roman „Die einsamen Frauen“ (1949)

Regie: Renate Sami 
Mitarbeit: Petra Seeger


20 Uhr Double Feature: „Proposta in Quattro Parti“ + Le Genou d’Artémide

Proposta in Quattro Parti (Vorschlag in vier Teilen) 
Italien 1985, 41 min

Der Film besteht aus vier Blöcken, die unterschiedlichen Filmen entnommen sind. Am Anfang steht D.W. Griffiths frühe kapitalismuskritische Parabel „A Corner in Wheat“ (1909) über einen Weizen-Monopolisten, dem seine Gier zum Verhängnis wird. Es folgen drei Teile aus Filmen Huillet-Straubs: eine Schlüsselszene im Konflikt zwischen Moses und Aron (1974) nach der gleichnamigen Oper Arnold Schönbergs, eine Passage aus „Fortini/Cani“ (1976), in der der jüdisch-kommunistische Autor Franco Fortini an die Massaker erinnert, die die SS 1944 in den Bergen um Marzabotto verübt hat, und schließlich eine Szene aus „Von der Wolke zum Widerstand“, ein Streitgespräch zwischen einem Hirten und seinem Sohn über Sinn und Zweck von Opferfeuern. Der Film entstand als Beitrag zu einem Jubiläums-Programm des italienischen Fernsehens RAI zu „90 Jahren Kino“ und war Huillet und Straubs erstes Experiment mit der Re-Montage von Passagen ihrer eigenen Filme. 

Regie: Danièle Huillet, Jean-Marie Straub

Direkt im Anschluss:

Le Genou d’Artémide (Das Knie der Artemide) 
Italien 2007, 26 min

Nach dem Dialog „Das Wildtier“ (Cesare Pavese, Gespräche mit Leuko): In Le Genou d’Artemide 
geht es um das uneingelöste Versprechen einer Verführung und um den süß-sauren Schmerz des 
ewigen Aufschubs. „Sprechen wir ihren Namen nicht aus... das Gewand reichte ihr nicht bis zum Knie.“

Regie: Jean-Marie Straub 
Darsteller: Andrea Bacci, Dario Marconcini

 
Sonntag, 2. März 2025

17 Uhr Quei loro incontri (Jene ihre Begegnungen)
Italien/Frankreich 2005, 68 min
 

Mit „Quei loro incontri“ kehrten Danièle Huillet und Jean-Marie Straub nach 27 Jahren zu Paveses 
Gesprächen mit Leuko zurück. Der Film enthält die letzten fünf dieser insgesamt 27 Gespräche, in denen Pavese Figuren der griechischen Mythologie von dem sprechen lässt, was der Mythos 
verschweigt.

Gesprochen werden sie von Schauspieler*innen aus dem Ensemble des Teatro 
Francesco di Bartolo in der toskanischen Kleinstadt Buti. Drehorte sind die Wälder und Felder rund um den Ort. „Ein nichts genügt, und das Gelände wird wieder das gleiche wie damals als diese Dinge geschahen“, sagt ein Gott zum anderen zu Anfang des Schlussdialogs. 
Am Teatro Francesco di Bartolo wurde mit verschiedenen Formen des progressiven Theaters 
gearbeitet und gleichzeitig die bäuerliche Tradition des „Canto di Maggio“ am Leben erhalten. 
Huillet und Straub hatten das Theater schon Ende der 1980er Jahre erstmals besucht und es blieb für sie in den Folgejahren ein fester Bezugspunkt und regelmäßiger Arbeitsort. Ihnen stand in Buti ein eigenes Haus zur Verfügung, in dem sie 1998 auch die Innenaufnahmen zu Sicilia! drehten. Straub kehrte auch nach Huillets Tod (2006) immer wieder hierher zurück und drehte zwischen 2007 und 2011 mit jeweils zwei Sprecher*innen noch vier weitere „Gespräche mit Leuko“.

 

Einführung und Nachgespräch: Patrick Primavesi, Tobias Hering
Regie: Danièle Huillet, Jean-Marie Straub

 

19 Uhr Kurzfilmprogramm: „Le Streghe – Femmes entre elles“, „L’Inconsolable“ und „La Madre“ 
Le Streghe – Femmes entre elles (Die Hexen – Frauen unter sich) 
Italien 2008, 21 min

Kirke erzählt der Freundin Leukothea von ihrer Begegnung mit Odysseus. „Er war groß, gelockt, ein schöner Mann.Welch erstaunliches Schwein, welchen Wolf hätte er abgegeben!“ Als Mensch aber verleugnete er seine Lust und floh zurück ins traute Heim zu seiner Gattin Penelope. „Wer lachte zum Schluss?“ – „Niemand lachte, Leuko.“

Regie: Jean-Marie Straub 
Darsteller: Giovanna Daddi, Giovanna Giuliani


L'Inconsolable (Der Untröstliche)
Italien 2010, 15 min

 Der „Untröstliche“ ist Orpheus, von dem der Mythos erzählt, er habe mit seinem Gesang seine verstorbene Frau Eurydike aus dem Hades befreit – und dann wieder verloren, 
weil er gegen das Gebot verstieß, sich beim Aufstieg aus der Unterwelt nicht nach ihr umzudrehen. Pavese stellt ihm als Dialogpartnerin eine herausfordernde Bacchantin gegenüber. Orpheus versucht, ihr weis zu machen, er habe sich nicht etwa aus Liebe zu Eurydike umgedreht, sondern wegen eines männlichen Drangs herauszufinden, was der Tod sei.

Regie: Jean-Marie Straub 
Darsteller: Giovanna Daddi, Andrea Bacci

 

La Madre (Die Mutter) 
Italien 2011, 20 min

Der Jäger Meleagros beklagt vor dem Gott Hermes seine lebenslange Abhängigkeit von den Launen seiner Mutter. Sie gab ihm sein Leben und nahm es ihm wieder in einem Wutanfall. Die Jahre dazwischen erscheinen ihm rückblickend als eintönig und unfrei. „Ich hörte erzählen von freiem Leben jenseits der Berge und Flüsse... Von noch stärkeren Männern als ich, jüngeren, durch seltsame Schicksale geprägt.“ – „Eine Mutter hatten sie alle, Meleagros.“ 

Regie: Jean-Marie Straub 
Darsteller: Giovanna Daddi, Dario Marconcini

 

Planung, Konzeption und Umsetzung der Filmreihe: Larissa Krampert, Björn Schmitt, Tobias Hering, Tjark-Hagen Kandulski