Marxismus und die Theorie der Persönlichkeit
Ziel dieses Autonomen Tutoriums ist es, sich Lucien Sèves Werk „Marxismus und die Theorie der Persönlichkeit“ anzunähern. Wie lässt sich eine Psychologie begründen, die vom wirklichen Menschen handelt? Welche praktische Relevanz besitzt diese Frage für ein kommunistisches Emanzipationsprojekt?
Sève versucht, eine Anthropologie aus den Texten von Marx zu rekonstruieren, die ihnen zwar implizit innewohne, aber nicht ausgearbeitet sei. Abstrahiert die an Universitäten stattfindende Psychologie Menschen von ihren historischen Verhältnissen und versucht diese eher essentialistisch zu bestimmen, z.B. mit Konzepten von Begabung oder vermeintlich universellen Persönlichkeitseigenschaften, geht es Sève nicht darum, Menschen als passive Rezipient*innen der gesellschaftlichen Verhältnisse zu charakterisieren. „Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inwohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ (Marx, 6. Feuerbachthese). Das „menschliche Wesen“ erscheint als dem individuellen Menschen außerseitiges, das sich angeeignet werden muss, um in den bestehenden Verhältnissen sich zu vergesellschaften. Aber es sind gerade diese gesellschaftlichen Verhältnisse, die auf Klassenherrschaft und Patriarchat berufen, die die Lebens- und Entwicklungsverläufe vieler Menschen behindern.
Im Manifest der Kommunistischen Partei heißt es: „An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klas- sengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist. “Die „anthropologische Frage“ (Sève) stellen, könnte heißen, die Frage nach den Möglichkeitsräumen der Menschheit schlechthin zu stellen.
Literatur: Lucien Sève: Marxismus und die Theorie der Persönlichkeit. Frankfurt am Main: Verlag Marxistische Blätter. 1973.