Die Philosophie der Psychoanalyse die Psychoanalyse der Philosophie
Psychoanalyse kennt jeder, aber vor allem als klinische, als »Psychologie«: psychische Erkrankungen, Psychotherapie, verdrängte Triebe, Kindheitsaufarbeitung. Einen anderen Weg ging der Denker Jacques Lacan, seine Kernbestrebungen, die sich durch sein Gesamtwerk zieht, war es, die Relevanz von Freuds »Entdeckungen« für die Philosophie herauszuarbeiten. Ein Leitprojekt, dem Slavoj Žižek (bzw. die »Ljubljana Schule« insgesamt) von Beginn an verpflichtet war. Ebenso nahmen unter anderem Jacques Derrida, Gilles Deleuze, Felix Guattari und Roland Barthes die Psychoanalyse als eine Form der (Anti-)Philosophie ernst, diskutierten, kritisierten sie. All diese Zugänge haben wenig zu tun mit den gängigen klinisch-psychologischen Vorstellungen von Psychoanalyse, die schon bei Lacan unter starker Kritik stand.
Die Möglichkeiten, uns im Rahmen des Tutoriums dieser Seite der Psychoanalyse anzunähern, sind vielfältig. Zunächst sollen einige Auszüge aus Freuds Primärtexten, wie Die Traumdeutung oder Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten gelesen werden, um dann zu sehen, wie Lacan daran anknüpft. Unter anderem bietet es sich an, auf die von Lacan herausgearbeitete Einwirkung der Freudschen Entdeckung auf den traditionell-philosophischen Subjektbegriff einzugehen; auf die Konsequenzen für die Ethik, die der Psychoanalyse ein neues Verständnis der kantischen Morallehre erlaubt, die ihren revolutionären, traumatischen Kern hervortreten lässt; auf den existenzphilosophischen Begriff der »Angst«, der sich durch die Freudsche Entdeckung erhellen lässt; mit Blick auf sozialphilosophische Fragen dagegen könnte man sich Slavoj Žižeks Ideologietheorie annähern, die sich stark aus psychoanalytischen Motiven speist und eine Rehabilitierung der Ideologiekritik motiviert, die in den letzten Jahrzehnten theoretisch stärker in Kritik geraten ist.
Welcher Zugang gewählt wird, soll im Verlauf des Tutoriums, im Dialog mit anderen Teilnehmern bestimmt werden. Vorwissen soll nicht vorausgesetzt werden, aber die Bereitschaft zur Lektüre teils schwieriger Texte.
Sepehr Mashayekhi
seprushed [at] yahoo.de (Kontakt)