Für den Erhalt der Kritischen Theorie am Institut für Philosophie der Goethe-Universität
Offener Brief der Institutsgruppe Philosophie an die Berufungskommission und die interessierte Öffentlichkeit:
Viele von Euch werden es schon mitbekommen haben: An unserem Philosophieinstitut wurde eine Stelle als Professor:in für praktische Philosophie mit Schwerpunkt Rechtsphilosophie und politischer Philosophie in der Nachfolge von Christoph Menke ausgeschrieben. Selbstverständlich begrüßen wir, die Institutsgruppe Philosophie, eine Wiederausschreibung dieser Stelle. Jedoch irritiert uns, dass Expertise im Bereich der kritischen Theorie[1] nicht zu den Qualitäten gehört, die von der neuen Professor:in laut dem Anforderungsprofil der Ausschreibung erwartet werden. Bei der Neubesetzung der Professur für theoretische Philosophie, die ehemals der renommierte Kritische Theoretiker Martin Seel innehatte, wurde die Bedeutung der Kritischen Theorie für das Institut für Philosophie unterschätzt. Ungeachtet der Leistungen in Lehre und Forschung von Alexandra Zinke, die wir als Gewinn für unser Institut empfinden, schwächte das die Stellung der kritischen Theorie drastisch.
Eine Nachfolge von Christoph Menke, die dem standortdefinierenden kritischen Profil des Instituts für Philosophie gerecht werden kann, ist aus vielerlei Hinsicht geboten: Das Interesse der Studierendenschaft an Lehre der kritischen Theorie ist groß. Zuweilen hört man, wir wären lediglich eine kleine, aber laute Minderheit, die die Interessen der Studierendenschaft nicht vertritt. Die Besucher:innenzahlen der Seminare zu kritischer Theorie sprechen da eine andere Sprache. Überfüllte Seminare mit beinahe 100 Teilnehmer:innen sind für beide Professoren keine Seltenheit. Das deckt sich mit unseren Studienerfahrungen. Viele von uns sind nach Frankfurt gekommen, weil es einer der wenigen Orte mit diesem Studienangebot ist. Warum sollte dieser Standortvorteil vergeudet werden? Wenn es schon eine etablierte Theorietradition gibt, die so eng mit der Stadt, der Goethe-Universität und dem Institut für Philosophie verknüpft ist, wie die Frankfurter Schule, warum sie nicht lebendig halten? Dafür muss nicht die vierte Generation der Kritischen Theorie ausgerufen werden, sondern deren kritischer Anspruch die conditio sine qua non der Neubesetzung sein.
Deshalb fordern wir Studierende hiermit eine Nachfolge von Christoph Menke im Sinne der Kritischen Theorie.
Eine Lister der Unterstützer:innen findet ihr hier.
[1] Wie üblich meinen wir mit Kritischer Theorie die Frankfurter Schule, mit kritischer Theorie den größeren Bereich kritischer Theoriebildung.