AStA STATEMENT ZU ANTISEMITISMUS AM CAMPUS
Universitäten sind Orte der Kritik, der Auseinandersetzung und des Streits - und sollen das auch sein. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auch gesellschaftliche Konflikte an Universitäten ausgetragen werden. Der universitäre Raum sollte für kritische Auseinandersetzung offen sein.
Der andauernde Krieg im Gaza-Streifen und der Nahostkonflikt allgemein beschäftigen viele Studierende in Deutschland und weltweit, so auch auf unseren Campus, wo in den letzten Monaten verschiedenste Veranstaltungen und Aktionen stattfanden, die sich mit der Thematik auseinandersetzen. Wir sehen uns mit einer destruktiven Streitkultur konfrontiert, welche die Fronten verhärtet und einen Diskurs verunmöglicht. Auf dem Campus ist seit dem 7. Oktober ein angespanntes Klima spürbar, welches durch Störungen bei Veranstaltungen und antisemitische Parolen noch verstärkt wird. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der universitäre Raum ein Ort bleibt, an dem kontroverse Themen diskutiert werden können, ohne dass dabei Hass und Gewalt Einzug halten.
Der AStA besteht aus einer Koalition verschiedener Hochschulgruppen, in denen es verschiedenste Positionen zum jetztigen Krieg und dem Nahostkonflikt gibt. Wir begrüßen eine solidarische Streitkultur, vermissen diese jedoch an unserem Campus und darüber hinaus im gesamtgesellschaftlichen Diskurs.
Sobald jedoch antisemitische Parolen gerufen werden, eine Rechtfertigung von Gräueltaten stattfindet, islamistische oder rechtsradikale Ideologien verbreitet werden, geht es nicht mehr um die Solidarität mit der palästinensischen Zivilbevölkerung, sondern um die Instrumentalisierung derselben für die eigenen ideologischen Zwecke.
Wenn Menschen auf einer vermeintlich propalästinensischen Kundgebung und Demonstrationen Angriffe auf jüdische Menschen ("Yallah, Yallah Intifada") fordern und sich die Auslöschung des israelischen Staates wünschen ("Vom Wasser zu Wasser, Palästina ist arabisch"), dann handeln sie antisemitisch.
Solche Kundgebungen und Demonstrationen delegitimieren sich aus zwei Gründen selbst: Einerseits, weil der berechtigte Wunsch nach Frieden für die Zivilbevölkerung im Nahen Osten eben nicht mit der Unterstützung der Hamas kompatibel ist. Andererseits, weil Veranstaltungen, von denen derartige Parolen ausgehen, eine konkrete Bedrohung für Juden und Jüdinnen vor Ort darstellen. Wenn von Veranstaltungen, Strukturen und Einzelpersonen am Campus Bedrohungen, Beleidigungen und Einschüchterungsversuche für jüdische Kommiliton*innen ausgehen, delegitimieren diese sich selbst.
Dieses Verhalten hat mit sachlicher und legitimer Kritik an der israelischen Regierung nichts zu tun. Ihr Handeln, Denken und Vorgehen ist nicht pro-palästinensisch, sondern antisemitisch.
Wir distanzieren uns aus diesem Grund von Studis gegen rechte Hetze, Free Palestine Frankfurt, Young Struggle, Zora und den beteiligten Gruppen des Protestcamps. Des Weiteren werden wir keine Gruppen unterstützen, die den Anschlag am 7. Oktober als Teil eines „Befreiungskampfes“ interpretieren oder in diesem Zusammenhang von „Dekolonisation“ sprechen. Die Organisator*innen des Protestcamps haben in der Vergangenheit Bilder von Polizeigewalt dazu genutzt, um sich selbst als Märtyrer zu inszenieren und ihre eigene antisemitische Agenda voranzutreiben.
Selbstorganisierte Bildungsveranstaltungen auf dem Campus anzubieten ist per se unterstützenswert, doch wenn solche Veranstaltungen zum Schutzraum und zur Bühne eines reaktionären Spektakels werden, ist dies Ausdruck eines global erstarkenden Antisemitismus. Uns ist dabei bewusst, dass nicht alle Teilnehmer*innen diese Agenda verfolgen.
Gleichzeitig sollten Protestaktionen und Besetzungen nicht pauschal von der Universitätsleitung direkt mit polizeilichen Maßnahmen bedroht werden. Wir sind nicht der Ansicht, dass die Polizei Studierende vor Gewalt schützt - vielmehr gefährden sie auch unbeteiligte Studierende durch ihr aggressives Verhalten.
Aus der Pressemitteilung der Universitätsleitung wird deutlich, dass sich diese mehr um ihr Eigentum (der Rasen ginge kaputt) und den Erhalt des Regelbetriebs sorgt. Unabhängig von den Inhalten dieses Protestcamps lehnen wir derartige Argumentationslinien durch die Universitätsleitung ab, da diese gegen viele weitere kritische Veranstaltungen auf dem Campus angewendet werden können und auch bereits wurden.
Eine Exmatrikulation aus politischen Beweggründen lehnen wir daher ebenso entschieden ab. Wir wollen nicht, dass hier ein Präzedenzfall für repressive Instrumente gegen Kundgebungen und andere Formen der Meinungsäußerungen von Studierenden geschaffen wird.
Da das Protestcamp sich offensichtlich auf vergangene Proteste in Hamburg, Berlin und auch in den USA bezieht, halten wir die Hochschulleitung an, deeskalierend zu agieren, damit sich die Bilder aus den letzten Wochen bei uns in Frankfurt nicht wiederholen. Von der Leitung der Universität erwarten wir dementsprechend ein diplomatisches Vorgehen, dass die körperliche Unversehrtheit von Studierenden in den Mittelpunkt stellt. Wir appellieren jedoch an unsere Kommiliton*innen, die Organisator*innen von Veranstaltungen zu recherchieren und sich nicht für antisemitische, misogyne oder andere menschenfeindliche Ideologien instrumentalisieren zu lassen.