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Transparent: Kritisches Denken braucht Zeit und Raum

AStA Frankfurt fordert: Konsequenzen für Palmer und Schröter!

02.05.2023

Am 28. April 2023 fand an der Goethe-Universität Frankfurt am Main die Konferenz „Migration Steuern, Pluralität gestalten – Herausforderungen und Konzepte von Einwanderungspolitik“ statt. Organisatorin der Konferenz war die Ethnologieprofessorin Susanne Schröter, die bereits mehrfach Personen aus dem rechtspopulistischen Spektrum in akademischen Kontexten eine Bühne geboten hat.[1] Im Umfeld der Veranstaltung kam es zu unentschuldbaren rassistischen und antisemitischen Aussagen des eingeladenen Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer, die eine Schande für die Goethe-Universität sind und bleiben werden. Dass Palmer den Holocaust relativiert, ist unerträglich. Noch unerträglicher ist, dass er dies auf dem IG-Farben Campus im Frankfurter Westend getan hat – dem ehemaligen Hauptsitz eines Unternehmens, das maßgeblich an der nationalsozialistischen Vernichtung von Jüdinnen und Juden beteiligt war. Die Weise, auf die Palmer seinen Antisemitismus im selben Atemzug durch die affirmative Verwendung des N-Wortes mit Rassismus kombinierte, ist skandalös. Im Folgenden werden die Vorgänge des gestrigen Tages detailliert dargestellt und eingeordnet.

Seit der Ankündigung der Veranstaltung kam es zu Warnungen vor der Gefahr rassistischer Vorfälle.[2] Besonders eindringlich warnten der AStA und das Studierendenparlament der Goethe-Universität.[3] Beide wiesen ausdrücklich darauf hin, dass es sich um eine pseudowissenschaftliche Veranstaltung handelt, die rechte Narrative affirmativ aufgreift und fortschreibt. Beide machten zudem deutlich, dass es sich bei den eingeladenen Akteuren um Personen handelt, die sich in der Vergangenheit rechtspopulistisch geäußert haben. Auch in der Sitzung des Senats der Universität am 26. April 2023 wurde das Universitätspräsidium um eine Stellungnahme gebeten und durch verschiedene Senatsmitglieder Kritik an der Veranstaltung geäußert. Leider wurden diese Warnungen nicht erst genommen: „Boris Palmer ist kein Rassist“,[4] sagte Schröter am 19. April in der FAZ.

Entgegen der häufig vorgebrachten Befürchtungen, die kritischen Stimmen seien nicht an einem wissenschaftlichen Diskurs interessiert,[5] wurde durch den AStA eine Gegenkonferenz unter dem Titel „Migration entkriminalisieren, Pluralität leben“ organisiert. Im Fokus standen hier etwa Fragen der Antikolonialität, des Grenzregimes an den europäischen Außengrenzen und der gegenwärtigen Konjunktur des Rassismus. Auch die Bildungsinitiative Ferhat Unvar war eingeladen, die besonders in dieser räumlichen Nähe zu Hanau die existenzielle Bedrohung deutlich macht, die von Rassismus ausgeht. Die gut besuchte Konferenz war ein voller Erfolg: Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Statusgruppen führten in Sichtweite der Schröter-Veranstaltung vor, wie eine konstruktive und genuin wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik der Migration aussehen kann.

Worum es dagegen auf Schröters Veranstaltung ging, wurde deutlich, als der eingeladene Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der bereits vielfach durch rassistische Aussagen aufgefallen ist, am Veranstaltungsort ankam. Zu diesem Zeitpunkt fand vor dem Veranstaltungsgebäude eine Protestkundgebung statt. Palmer ging auf die Demonstrierenden zu und suchte die Konfrontation. Dabei verwendete er in Anwesenheit Schwarzer Personen trotz deren Protest mehrfach das N-Wort. Dieser rassistische Übergriff ist für sich genommen bereits unerträglich. Anschließend kam es jedoch es zu einer weiteren Äußerung, die selbst mit Blick auf Palmers langjährige Geschichte politischer Fehltritte beispiellos ist: Er insinuierte, es sei falsch, eine Person dafür zu verurteilen, dass sie das N-Wort verwendet, und sagte anschließend: „Das ist nichts anderes als der Judenstern.“ Diese Worte wiederholte er deutlich hörbar ein weiteres Mal. Der Vorgang ist unzweifelhaft durch ein bereits öffentlich gewordenes Video dokumentiert.[6] Anschließend betrat Palmer das Veranstaltungsgebäude, wo Frau Schröter die Thematik des N-Wortes sofort auf die Tagesordnung brachte, um eine vermeintliche Gefahr einer Diffamierung Palmers zu inszenieren.[7] Palmer stellte seine Version der Vorfälle vor, in der die kurz zuvor getätigte Judenstern-Aussage bezeichnenderweise nicht vorkam. Es schloss sich eine schwer erträgliche Debatte anwesender Personen an, die sich teilweise dafür aussprachen, das N-Wort zu verwenden. Binnen weniger Minuten fiel dabei das N-Wort diverse weitere Male. Dies Veranlasste selbst den Panel-Moderator Adrian Gillmann, sich von der „komischen Intervention“ Palmers zu distanzieren: „Ich möchte mit Ihnen, Herr Palmer, nichts mehr zu tun haben.“ Dass sich Herr Gillmann nun plötzlich distanzierte, ist verwunderlich, hatte Palmer doch bereits in der Vergangenheit mehrfach das N-Wort verwendet.[8] Dass sich selbst die ihrerseits rechte Moderation von der Veranstaltung distanzierte und ihre Tätigkeit niederlegte, sollte zu denken geben.

Nach der Veranstaltung sollte deutlich geworden sein, wie begründet die im Vorfeld vorgebrachten Warnungen des AStA und des Studierendenparlaments waren. Dass legitime Kritik durch Schröter  in der Bildzeitung als undemokratisch, totalitär und unwürdig abqualifiziert wurde, ist ebenso undemokratisch, totalitär und unwürdig wie das Benehmen Boris Palmers. Mit Wissenschaft hatte die beschämende Veranstaltung wenig zu tun: Was unter der Ägide von Frau Schröter dargeboten wurde, war – ganz wie es der AStA im Vorfeld angekündigt hatte – ein bloßen „Schaulaufen pseudowissenschaftlicher Akteure“.[9] Es bedarf nun einer umfassenden Aufarbeitung dieses Falles. In der Verantwortung stehen dabei in erster Linie das Universitätspräsidium und die Verantwortlichen am Forschungszentrum „Normative Ordnungen“, die der Veranstaltung Raum boten. Die Aufarbeitung muss von der Prämisse ausgehen, dass im Namen der Wissenschaftsfreiheit nicht jeder Unsinn und erst recht kein Rassismus und Antisemitismus verbreitet werden dürfen. Für Susanne Schröter, die diesen Eklat mitzuverantworten hat, muss es Konsequenzen geben. Dass Boris Palmer spätestens jetzt für ein jegliches politisches Amt endgültig untragbar geworden ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung.

 

 

 

 

[1] Siehe etwa https://www.fr.de/frankfurt/kopftuch-konferenz-frankfurt-ra…

[2] Siehe etwa https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/kritik-an-…

[3] Siehe https://asta-frankfurt.de/2023-04/gegenkonferenz-migration-…

[4] https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/susanne-schroeter-we…

[5] Siehe https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/susanne-schroeter-we…

[6] https://twitter.com/alscharo/status/1651993532700274692?s=4…

[7] Siehe das Video unter dem nachfolgenden Link: https://use04.thegood.cloud/s/Zr6sDCMB73W8PXs, Passwort der Cloud: [c}(X4{m\N

[8] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-09/boris-palme…

[9] So die Formulierung der im Vorfeld veröffentlichten Stellungnahme des AStA, siehe https://asta-frankfurt.de/2023-04/gegenkonferenz-migration-entkriminalisieren-pluralitaet-leben