Solidarität mit den Studierenden an iranischen Universitäten!
Liebe Kommiliton*innen an den iranischen Universitäten,
mit Schrecken verfolgen wir die Gewalt, die Ihr im Zuge der Proteste gegen die Islamische Republik Iran erfahrt. Mit Bewunderung sehen wir, wie Ihr für eine gerechtere Zukunft einsteht. Für Eure grundlegenden Menschenrechte. Dafür, dass ein würdiges Leben selbstverständlich wird. Euer Mut macht uns demütig. Euer Widerstand macht uns hoffnungsvoll. Eure Proteste zeigen deutlich: Es handelt sich um einen feministischen Kampf, der die gesamte Gesellschaft erfasst hat – angetrieben durch die junge Generation. Wir solidarisieren uns mit Euch und stimmen ein in Euren Ruf nach Freiheit: Jin, Jiyan, Azadî!
Wir sehen, wie Ihr seit dem Mord an der 22-Jährigen Jina Mahsa Amini durch die iranische Sittenpolizei zu Tausenden auf den Straßen und in Euren Universitäten protestiert. Wir sehen die Brutalität des iranischen Staates, die Euch entgegenschlägt. Am 2. Oktober hat sich diese ganz offen gegen Eure Zukunft gerichtet. Gegen Euch. „Sicherheitskräfte“ und Polizei stürmten die Teheraner Sharif Universität. Sie kesselten Studierende und Dozierende gezielt für mehrere Stunden ein, erschossen und verhafteten viele von ihnen. Die menschenverachtende Gewalt, die sich gegen Euch und alle Protestierenden richtet, muss auch hier in Deutschland gesehen werden. Und sie muss aufhören!
Wir sehen, wie viele von Euch bei den Protesten schon ihr Leben verloren haben. Wie Ihr verprügelt, verletzt, verhaftet, verschleppt werdet. Wofür? Der Musiker Shervin Hajipour hat für all die Wünsche, die in Euren Protesten lebendig sind, ein Lied komponiert: „Damit es erlaubt ist, auf den Straßen zu tanzen. Dafür, dass wir keine Angst haben, wenn wir uns küssen. Für meine Schwester, deine Schwester, unsere Schwestern. Damit wir die faulenden Gedanken ändern können. Für die Scham, die wir haben. Für die Armut. Für das Verlangen nach einem normalen Leben. Für den Jungen, der im Müll wühlt, für seine Träume. Für die befohlene Wirtschaft. Für die verschmutzte Luft (…) Für ein Gesicht, das lächelt. Für die Studenten, für die Zukunft.“
Shervins Lied wurde auf Social Media millionenfach aufgerufen und geteilt. Es ist zur Hymne Eures Protests geworden. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung wurde er selbst verhaftet und soll gerade erst wieder auf Kaution freigelassen worden sein. Shervins Lied und Eure Wünsche bleiben weiterhin hörbar. Ihr schreibt sie, Ihr singt sie, Ihr schreit sie. Sie sollten überall gehört werden.
Unsere Solidarität mit Euren Protesten bedeutet für uns Studierende auch, dass wir unsere Kommiliton*innen und Dozierenden in Deutschland dazu aufrufen, mit uns auf die Straßen zu gehen und laut zu sein: damit die deutsche Außenpolitik konsequent feministisch wird – nicht nur in Deklaration, sondern auch in der Umsetzung. Damit sowohl die deutsche Politik, als auch die deutschen Medien, mehr Aufmerksamkeit auf die Proteste der Menschen im Iran richten. Dass das bisher noch nicht im notwendigen Umfang geschehen ist, zeugt davon, dass viele hier in Deutschland nicht begriffen haben, um wie viel es bei Eurem Kampf geht.
Wir sehen, wie junge Menschen trotz aller Gewalt und Einschüchterungsversuche weiter an iranischen Universitäten protestieren. Wie Ihr immer wieder aufsteht und aufbegehrt. Denn es geht um alles. Es geht Euch um ein freies, ein anderes Leben – für Euch und für alle zukünftigen Generationen. Ein Leben, das Ihr selbst bestimmt.